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Auf Augenhöhe: Die kindliche Entwicklung verstehen, um sie richtig begleiten zu können

Die Strasse und ich

Das Erlernen der sicheren Mobilität im Strassenverkehr ist für ein Kleinkind keine Selbstverständlichkeit. Das Gehirn eines Kindes befindet sich noch in der Entwicklung, was seine Wahrnehmung von Gefahren und seine Fähigkeit, vorausschauend zu handeln, erheblich beeinflusst. Wenn Sie die verschiedenen Entwicklungsphasen Ihres Kindes besser verstehen, können Sie es gezielt und angemessen bei seinem Lernprozess im Bereich Mobilität unterstützen.

Inhalt
Ihr Kind ist kein Mini-Erwachsener

Die kognitive, sensorische und motorische Entwicklung von Kindern beeinflusst direkt ihre Fähigkeit, sich im Strassenraum zurechtzufinden, Gefahren frühzeitig zu erkennen und sich sicher zu verhalten. Im Gegensatz zu Erwachsenen haben Kinder noch nicht alle Fähigkeiten entwickelt, um Verkehrssituationen richtig einzuschätzen, und sie können sich schnell in gefährliche Situationen begeben. Wenn Sie sich der kognitiven und sensorischen Fähigkeiten Ihres Kindes bewusst sind, können Sie es besser unterstützen und ihm helfen, schrittweise und sicher die Mobilität zu erlernen.

  • Auditive Wahrnehmung: Das Gehör entwickelt sich zwar früh, aber die Fähigkeit, komplexe Geräusche zu identifizieren und Geräusche im Raum zu lokalisieren, ist erst im Alter von etwa 9 oder 10 Jahren voll ausgeprägt. Deshalb fällt es einem Kleinkind schwerer, die Richtung von Gefahrenquellen zu bestimmen, besonders in einer lauten Umgebung.

  • Sehvermögen: Das periphere Sehen, das für die seitliche Wahrnehmung von Gefahren unerlässlich ist, ist erst im Alter von etwa 10 oder 11 Jahren voll ausgebildet. Zudem haben Kinder aufgrund ihrer Körpergrösse ein eingeschränktes Sichtfeld und werden von Autofahrenden schlechter wahrgenommen. Auch das Einschätzen von Entfernungen und Geschwindigkeiten von Fahrzeugen fällt ihnen noch schwer.

  • Aufmerksamkeit: Kinder haben eine geringere Aufmerksamkeitsspanne und lassen sich leicht ablenken. Das kann sie beispielsweise daran hindern, beim Queren einer Strasse aufmerksam zu bleiben und Gefahren rechtzeitig zu erkennen.

  • Kognitive Fähigkeiten: Aufgrund ihres Entwicklungsstands fällt es Kindern schwer, das Verhalten anderer Verkehrsteilnehmenden vorherzusehen und komplexe Situationen richtig zu beurteilen. Das gleichzeitige Bewältigen mehrerer Aufgaben gelingt ihnen noch nicht, doch das Erlernen von sequenziellen Abläufen wie «Warte, luege, lose, laufe» ist ideal auf ihr Alter abgestimmt. Zudem lernen sie noch, mit ihren Emotionen umzugehen, was manchmal ihre Entscheidungsfähigkeit beeinträchtigen kann.

  • Motorisches Verhalten: Da sich der Körper noch im Wachstum befindet, sind die motorischen Fähigkeiten von Kindern oft noch nicht vollständig koordiniert. Daher kann es zu unerwarteten oder unvorhersehbaren Reaktionen kommen, die schwer zu steuern sind.

Nachahmen und Wiederholen für mehr Sicherheit
Lässt sich das Nachahmen fördern?

Menschen ahmen von ganz allein nach. Will man die Wahrscheinlichkeit zur Nachahmung steigern, kann man ein Kind ansprechen, ihm in die Augen schauen und sagen: «Pass auf!» Beim Durchführen der Handlung sollte man immer wieder den Blick wechseln, vom Kind zum eigenen Handeln und wieder zum Kind. Im Anschluss sagt man einfach: «Und jetzt bist du dran.»

Auch wenn Ihr Kind im Strassenverkehr zu den besonders verletzlichen Verkehrsteilnehmenden gehört, sollten Sie nicht warten, bis es alle Fähigkeiten vollständig entwickelt hat, um es mit dem Strassenverkehr vertraut zu machen. Im Gegenteil: Je früher ein Kind – unter Ihrer Begleitung – mit dem Strassenverkehr in Berührung kommt, desto besser kann es schrittweise seine Verhaltensweisen und seine Wachsamkeit entwickeln.

Kinder lernen hauptsächlich durch Beobachten und Nachahmen. Rein verbale Erklärungen sind nicht immer zielführend, es ist dennoch wichtig, die Ausführungen einer Handlung verbal zu begleiten. Um das Gelernte zu verankern, brauchen Kinder aber vor allem Gelegenheit und Zeit, um das richtige Verhalten im Strassenverkehr zu üben. Indem Sie mit ihnen gezielt und regelmässig die richtigen Verhaltensweisen wiederholen, legen Sie eine solide Grundlage für Fähigkeiten, auf die sie in ihrer weiteren Entwicklung der Mobilität zurückgreifen können.

Natürlich sollten Sie den Schulweg mehrmals mit Ihrem Kind üben, aber am besten ist es, dieses Lernen ganz natürlich in den Alltag zu integrieren. Betrachten Sie Ihre Nachbarschaft oder Ihr Dorf als Lern- und Erfahrungsraum, in dem Ihr Kind ständig Neues entdecken kann. Schaffen Sie dabei schöne, gemeinsame Momente und geben Sie Ihrem Kind so die Gelegenheit, neue Situationen zu erleben und nach und nach zu lernen, wie man sich in verschiedenen Verkehrssituationen sicher verhält.

Kleine Schritte in Richtung Selbstständigkeit: ein paar praktische Tipps

Beobachtungsspiele: Der öffentliche Raum ist ein ausgezeichnetes Lernfeld für Kinder - vorausgesetzt, sie erkunden ihn aktiv. Indem Sie Wege in spielerische und interaktive Momente verwandeln, fördern Sie die Aufmerksamkeit Ihres Kindes und helfen ihm gleichzeitig, wichtige Hinweise für seine Sicherheit zu erkennen. Schlagen Sie Ihrem Kind einfache und lustige Beobachtungsspiele vor, die seinem Alter entsprechen: ein gelbes Auto erkennen, das Geräusch des Krankenwagens orten, die Anzahl der Velos auf einer Strasse zählen oder fragen Sie es, wann es die Strasse queren kann oder wie man erkennt, dass ein Auto angehalten hat (nämlich wenn sich die Räder nicht mehr drehen!).

Vorbildliches Verhalten: Ihr Kind beobachtet Sie sehr genau, auch wenn Sie nicht daran denken. Ihr Verhalten im Strassenverkehr beeinflusst also direkt sein Verhalten! Gute oder schlechte Nachrichten: Seien Sie sich bewusst, dass Sie einen unglaublichen Hebel haben, um sein Verhalten auf ganz natürliche Weise zu beeinflussen, ohne ihm etwas «einbläuen» zu müssen.

Das Gehirn versteht keine Verneinung: Nehmen wir das Beispiel der Psychotherapeutin Isabelle Filliozat: «Wenn man Ihnen sagt, dass Sie nicht an ein Zebra denken sollen, stellen Sie es sich sofort vor!» Bei Kindern funktioniert das genauso. Daher ist es sinnvoller, positive Verhaltensweisen klar zu benennen, als stundenlang zu erklären, was man nicht tun sollte, ohne sie vollständig auszuklammern.

Die Kernbotschaften, die Ihr Kind sich merken sollte : 
Warte - luege - lose - laufe

  • Bevor ich die Strasse quere, halte ich an, schaue links und rechts und höre zu.
  • Ich quere die Strasse nur, wenn das Auto ganz angehalten hat oder wenn sich kein Fahrzeug nähert.
  • Ich quere die Strasse ruhig, ohne zu rennen oder zu springen. 
  • Auf dem Trottoir gehe ich auf der Seite, die am weitesten von der Fahrbahn entfernt ist.
  • Ich ignoriere fremde Personen, die mich ansprechen.